Welpen sollten mit derselben Rationalität ausgesucht werden wie ein Auto – auch wenn es schwer fällt.
Im Umgang mit den kleinen Hunden sind Rücksicht, Geduld und Konsequenz gefragt. Und bis mindestens acht Wochen nach der Geburt müssen sie bei der Mutter bleiben.
Fleck liegt ermattet im Gras und hält ein Nickerchen. Flair knabbert ein wenig an einer Wolldecke. Nur Foxy-gut erkennbar an seiner weißen Schwanzspitze-tappst an seinen Geschwistern vorbei auf kurzen Beinen neugierig auf die Besucher zu, rollt sich dann auf den Rücken und lässt sich den noch nackten Welpen Bauch kraulen. Doch schnell wird die fremde Hand viel spannender als die Krabbelei, und Foxys spitze Zähnchen bohren sich in die Haut. Autsch! Man wundert sich nicht, warum Hundemutter Cassandra ihre sieben Welpen mittlerweile nur noch für einen kleinen Nachtisch an die eigene Milchbar lässt.
Der Australian Shepherd-Nachwuchs ist knapp sechs Wochen alt. Heidi und Peter Wesemann sind zwar erfahrene Züchter, trotzdem fällt es ihnen nicht leicht, die kleinen bald abzugeben. Für fünf der sieben haben sie schon ein neues Zuhause gefunden. Für das Ehepaar ist es selbstverständlich, dass sie die künftigen Besitzer kennenlernen und ein wenig unter die Lupe nehmen. „Wir haben auch schon Leute weggeschickt, wenn wir den Eindruck hatten, dass es nicht passt“, erzählt Heidi Wesemann. Denn auch wenn Flippy, Foxy, Fair, Fleck, Faith, Fari und Finn noch unglaublich niedlich und etwas unbeholfen aussehen, steckt in ihnen ein späterer Ausdauersportler: Australian Shepherd sind in der Haltung anspruchsvoll, weil sie zu den Hütehunden gehören. Die intelligenten Tiere geben sich nicht nur mit Gassi gehen zufrieden. Sie brauchen Aufgaben und müssen Kopfarbeit leisten, sonst kommen sie bloß auf dumme Gedanken.
Deshalb rät Andreas Lümers (Pensionsleiter des Hunde-Parkhotel in Viersen), eindringlich dazu, sich vor dem Welpen Kauf eine ehrliche Antwort auf die Frage zu überlegen: Welcher Hund passt eigentlich zu mir? „Viele Menschen neigen dazu, einen Hund nur nach dem Aussehen auszusuchen.“ Doch es gebe mehr als 300 Rassen auf der Welt, und jede Rasse habe ein unterschiedliches Temperament. Andreas wünscht sich, dass Menschen einen Hund auf dieselbe Weise aussuchen wie ein Auto. Das hört sich zunächst kurios an. „Aber man muss an beide Entscheidungen ganz rational rangehen“, erklärt Andreas. Schließlich hat ein Hund, dessen Bedürfnissen der Besitzer gerecht werden muss, eine Lebenserwartung von zehn bis 15 Jahren. Und so sollten Fragen wie diese selbstverständlich sein: Was erlaubt mein Budget? Wie ist meine Familiensituation? Wie sehen die Unterhaltskosten aus? Und mit welcher Rasse – oder um in der Autosprache zu bleiben – mit welchem Modell komme ich im Alltag klar? „Ältere Menschen sollten berücksichtigen, wie viel Kraft ein großer Hund mit seinem Vier-Pfoten-Antrieb entwickelt und er im Falle einer Krankheit auch getragen werden muss.“
Heidi und Peter Wesemann geben den Wurf im Alter von acht Wochen zu ihren neuen Besitzern. „Man merkt jetzt schon, dass der Umgang untereinander ein bisschen rauer wird“, stellt Peter Wesemann fest, während die Welpen in Scheinkämpfen ihre Kräfte messen. „Sie brauchen nun mehr persönliche Ansprache.“ Dieses Bedürfnis nutzen die neuen Besitzer, indem sie sich zum Nabel der Welt machen. Die ersten Tage mit dem neuen Familienmitglied sollten deshalb ruhig verlaufen, unbedingt ohne Besuch. „Die Sozialisierung muss behutsam sein, der Besitzer darf den Hunde nicht in neue Situationen zwingen“, rät Andreas Lümers. Die Eingewöhnung dauert maximal zwei Wochen, dann bleibt der Kleine einige Stunden schon alleine.
Auch wenn es noch so schwer fällt: „Welpen brauchen Konsequenz“, sagt Züchter Wesemann, „in der Familienhirarchie steht der Hund an letzter Stelle. „Er wird also zum Beispiel als Letzter begrüßt. Wer das früh genug verinnerlicht, schont seine Nerven. Bei allen Bemühungen sei bedacht, dass ein kleiner Hund wie ein Baby Ruhephasen braucht. Denn Welpen durchlaufen eine Turbo-Entwicklung: Anfangs sind sie blind, taub und nicht in der Lage, selbst Kot und Urin abzusetzen oder ihre Körperwärme zu regulieren. Später, im Alter von vier Wochen, entdecken sie zwar die Welt, ermüden aber schnell. Das müssen vor allem Kinder schnell begreifen. Andreas Lümers rät deshalb, für die Menschenkinder und das Hundekind jeweils ein Refugium einzurichten. Zum Beispiel könnte das Kinderzimmer für den Welpen tabu sein (dann kann er auch kein Spielzeug anknabbern), für den Hund eignet sich eine Transportbox, die durch die geschlossene Form an eine Höhle erinnert. „Wenn er sich darin zurückzieht, ist der Hund tabu“, sagt Andreas. „Dann wird er weder angesprochen noch rausgeholt.“
Der Experte hat festgestellt, dass Besitzer häufig das falsche Spielzeug aussuchen. „Man sollte keine ausgemusterten Schuhe oder Handtücher zum Spielen geben. Hunde können nicht zwischen Alt und Neu unterscheiden.“ Und dann müssen vielleicht eines Tages die teuren Schuhe daran glauben. Im Fachmarkt gibt es genügend geeignetes Spielzeug. Aber wie für Kinder gilt für Welpen dieselbe Regel: Ein Über-Angebot verwirrt und langweilt eher als zu unterhalten. Deshalb besser die Spielsachen einzeln geben und häufiger austauschen.
Oft wird geraten, sich einen Wurf genau anzusehen, um den Charakter der Welpen einzuschätzen. Familie Wesemann glaubt daran nicht. „Das Verhalten hängt immer von der Tagesform ab“, betont Heidi Wesemann. Man sollte sich besser auf den Rat der Züchter verlassen. Foxy zum Beispiel mache zwar einen kecken Eindruck, eigentlich sei aber Fleck die Aufgeweckteste im Wurf. Doch an diesem Nachmittag liegt sie im Gras und schläft, völlig unbeeindruckt von dem Gewusel um sie herum. Es scheint anstrengend, ein neugieriger Welpe zu sein.